Im April 2014 erschienen in der Sächsischen Zeitung, dem MDR und verschiedenen anderen Medien jeweils große Berichte über einen Vermisstenfall aus dem Jahr 2010. Verschwunden war ein Enrico K., der letztmalig in der Dresdner Neustadt gesehen worden war. Hintergrund der Berichterstattung war eine Öffentlichkeitsmitteilung der Staatsanwaltschaft, verbunden mit einem Fahndungsaufruf betreffend ein Pärchen, das mit dem Verschwinden des Gesuchten in Verbindung stehen sollte und verdächtig wurde, diesen ermordet zu haben.
Ursprünglicher Inhalt der Öffentlichkeitsfahndung sollte hingegen nicht nur das Pärchen sein, sondern zusätzlich auch eine Mandantin von Rechtsanwalt Andrej Klein, die seinerzeit angeblich zusammen mit dem Pärchen und dem später Vermissten gesehen worden sei. Problem hierbei war die Art der Veröffentlichung, nämlich ein Foto mit Klarnamen in den Medien – also im Fernsehen, in der Presse, online und mit Fahndungsplakaten.
Die Mandantin wehrte sich gegen die geplante Veröffentlichung, weil sie mittlerweile in einem renommierten Unternehmen an öffentlicher Stelle arbeitete und nicht wollte, dass sie in einer Reihe mit Mordverdächtigen erscheint. Amtsgericht und Landgericht Dresden hatten der Staatsanwaltschaft Recht gegeben und eine geplante Veröffentlichung gebilligt. Nach Absprache zwischen RA Klein als Zeugenbeistand und der Staatsanwaltschaft wurde die Veröffentlichung bezüglich der Mandantin zurückgestellt, solange das nunmehr angerufene Verfassungsgericht nicht entschieden habe. Das ist nunmehr geschehen. Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich.
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof gab unserer Mandantin mit Beschluss vom 27.08.2015 recht (Vf. 54 – IV – 14). Die Gerichte in Dresden hätten deren Persönlichkeitsrechte nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das gilt zum einen hinsichtlich der Veröffentlichung von Namen und Foto, was gerade in ihrem beruflichen Umfeld zu einer Stigmatisierung führe.
Aber auch die verschwindend geringen Erfolgsaussichten der Aufklärungsfahndung gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Mandantin wurden nicht hinreichend abgewogen. Die Öffentlichkeitsfahndung diente dem Ziel, Zeugen zu finden, die sich an die Personengruppe erinnern würden. Seit dem Mordfall waren aber vier Jahre vergangen. Einen Zeugen zu finden, der sich an eine x-beliebige Nacht vor vier Jahren erinnern würde und zufällig im selben Café gesessen haben könnte, erschien dem Gericht aber per se schon fast aussichtslos.
Schließlich sei auch die Möglichkeit, das Foto ohne Namensnennung zu veröffentlichen, nicht ausreichend geprüft worden. Immerhin reagieren viele Zeugen auf Gesichter, nicht aber auf Namen, sodass man den Namen der Mandantin aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes auch hätte weglassen können.
Die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshof stellt einen Sieg der Persönlichkeitsrechte dar, insbesondere auch für diejenigen Betroffenen, die sich komplett aus Ihrem „alten Leben“ verabschiedet haben, die mit ihrem alten Freundeskreis und ihrer früheren Lebensweise gebrochen haben, ihr Wohnumfeld gewechselt und sich eine neue Existenz aufgebaut haben.